Dienstag, 22. Juli 2014

Nachtablauf

17. November, 22:48 Uhr:
Eine vollkommen verlassene Wiese, bepflanzt mit den schönsten Blumen & Gräsern dieser Welt, & ich. Ich wusste nicht, wie ich hier hergekommen war oder was ich hier sollte, aber ich wusste, in diesem Moment war es richtig hier zu sein. Ich nahm den wundervollen Duft der Blüten wahr, ich spürte den Wind in meinen Haaren, ich hörte das angenehm leise Gezwitscher der Vögel, ich sah… ich sah das absolut Schönste, was ich jemals in meinem ganzen Leben gesehen hatte. Ich…
Ich schlug die Augen auf. „Hm, schon wieder nur ein Traum“, flüsterte ich, „schade.“ Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es nun Zeit für „meinen Morgen“ war hereinzubrechen. „Wie der Traum ausgegangen wäre, hätte ich schon gerne gewusst.“ Ich drehte mich auf die Seite & spähte durch mein Zimmer, das durch den Lichtschein, der vom Gang her hin einfiel, leicht beleuchtet wurde.

17. November, 23:39 Uhr:
Mein Magen knurrte, ich hatte Hunger & auch Durst. Mittlerweile waren alle Lichter im Haus erloschen, alle bis auf dieses eine in meinem Zimmer. Ich verließ den Raum, um mir etwas zu essen zu besorgen. Da ich niemanden wecken wollte, versuchte ich, mich so leise wie nur irgend möglich zu verhalten. Es gelang mir.
Mehr oder minder gesättigt saß ich nun wieder in meinem Zimmer & dachte erneut über den Ausgang meines Traumes nach. Wen oder was hatte ich gesehen? Es stimmte wohl, dass mir in meinem Leben etwas fehlte. Ich wusste nur nicht was. Ich fragte mich, was ich nun tun sollte, doch bevor ich noch weiter darüber grübeln konnte, bemerkte ich einen stechenden Schmerz an meiner Lippe. „Ich hab‘ sie mir im Schlaf wohl schon wieder aufgebissen“, besann ich mich, als ich an die offene Stelle fasste. Völlig routiniert trug ich etwas Creme auf.

18. November, 1:16 Uhr:
Stumm lag ich da. Alleine in meinem Bett, in meinem Zimmer, in meinem Leben. Die Zeit verstrich. Nicht wirklich schnell, aber sie verstrich. Tick, tack, tick, tack…
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon alles Mögliche versucht, um die Zeit zu vertreiben: Vergebens. Selbst mein Lieblingsbuch konnte meiner Sinnlosigkeit nicht entgegen wirken. Ich sah mich gezwungen, weiterhin sinnlos zu sein.

18. November, 2:54 Uhr:
Immer noch am selben Ort. Ich konnte schon seit Längerem nachts nicht mehr schlafen. Fast schon so, als könne ich das Licht des Tages nicht länger ertragen. „Das ist nun schon die achte Nacht…“, sprach ich vor mich hin. „Die achte Nacht, in der ich nicht schlafen kann. Wenn das so weitergeht, verliere ich noch sämtlichen Bezug zur Außenwelt, weil ich den ganzen Tag über schlafen muss, um nicht zusammenzubrechen.“
Doch nachdem ich mich diesen Satz mehr oder weniger laut aussprechen hörte, erinnerte ich mich, dass auch meine wachen Tage nicht sehr von Umgang mit anderen Menschen erfüllt waren. Ich war in gewisser Weise schon immer alleine gewesen. Natürlich gab es meine Familie, die zwar jeder Zeit für da zu sein schien, jedoch hatte ich mein Leben lang schon das Gefühl, sie würden mich niemals richtig verstehen können. Ich sehnte mich nach mehr.

18. November, 3:21 Uhr:
Noch immer lag ich da. Ich überlegte, was ich tun könnte, um mich zu beschäftigen, um mich müde zu machen. Ich schaltete den Fernseher ein, zappte durch die Programme, fand jedoch nichts, was mich in diesem Moment interessiert hätte. „Vielleicht hilft eine Schmerztablette?“, fragte ich mich. Ohne lange darüber nachzudenken, nahm ich eine große Tablette aus ihrer Verpackung & würgte diese mühsam mit einem enormen Schluck Wasser hinunter. „So…“, dachte ich, „nun sollte es doch besser werden.“

Aber nach geraumer Zeit merkte ich, dass es dies jedoch nicht wurde, und ich wusste, dass es auch erst einmal nicht wieder besser werden konnte.